Stockholm (dpa) – Führungsspieler, Europacup-Finalist und bald auch noch Nationalspieler: Hätte Amin Younes jemand bei seinem Zwangs-Abschied als vermeintlich gescheitertes Talent von Borussia Mönchengladbach eine solche Entwicklung prophezeit, wäre er womöglich als Träumer bezeichnet worden.
Doch gerade in dieser Saison erfüllt sich für den Dribbler von Ajax Amsterdam ein Traum nach dem anderen. Am Mittwochabend (20.45) steht er mit Ajax Amsterdam als einer von zwei deutschen Profis im Europa-League-Endspiel gegen Manchester United. Doch während die Nationalmannschafts-Karriere seines Teamkollegen Heiko Westermann längst vorbei ist, fängt die von Younes gerade erst an: Nach dem Finale von Stockholm fliegt der 23-Jährige mit der deutschen Auswahl auch noch zum Confed Cup in Russland.
«Das ist eine tolle Geschichte. Ich freue mich, dass der Bundestrainer mich eingeladen hat», sagte Younes der Deutschen Presse-Agentur. Mit einer Nominierung habe er nicht gerechnet. «Aber ich bin unglaublich stolz und freue mich auf die Chance». Das gilt auch für das Europa-League-Finale gegen einen Weltclub wie Manchester United, «das sicher ein unglaubliches Erlebnis wird. Die Europa League ist eine einmalige Chance für uns», sagte er dem «Kicker».
Younes wird am Mittwoch wie immer bei Ajax zur Stammelf gehören, der zehn Jahre ältere Westermann dagegen nur Ersatz sein. Der frühere HSV-Kapitän hat sich mit seiner Rolle arrangiert – und gönnt seinem deutschen Kollegen den Erfolg. Westermann bezeichnete Younes kürzlich sogar als den wohl besten deutschen Eins-gegen-Eins-Spieler, was wieder einmal zeigte: Für Außenstehende mag Younes‘ Entwicklung überraschend sein. Für enge Wegbegleiter ist sie das nicht.
Vor allem DFB-Sportdirektor Horst Hrubesch war immer sein großer Förderer. Younes nennt ihn einen «Freund» und rief ihn auch direkt nach der Nominierung durch Bundestrainer Joachim Löw an. Als Löw bei der EM 2016 darüber klagte, dass es zu wenig Dribbler im Land gebe, widersprach ihm der damalige U21-Coach Hrubesch öffentlich: «Wir haben sie. Es gibt nicht nur Sané, es gibt auch Amin Younes.» In der entsprechenden Europa-League-Statistik dieser Saison ist Younes mit 49 Prozent erfolgreicher Dribblings die klare Nummer eins.
Andere dagegen hielten den 1,68 Meter kleinen Deutsch-Libanesen eher für limitiert. «Ich konnte Amin nichts versprechen», sagte Mönchengladbachs Manager Max Eberl, als er den damals 21-Jährigen 2015 für nur 2,5 Millionen Euro nach Amsterdam verkaufte. Ganze 28 Pflichtspiele hatte er bis dahin für die Borussia gemacht, kein einziges über 90 Minuten. Trainer Lucien Favre konnte wenig mit ihm anfangen, eine Ausleihe an den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern endete frustrierend, die Konkurrenz in Mönchengladbach war sehr groß.
Zwei Dinge haben neben seinem fußballerischen Potenzial dafür gesorgt, dass Younes bei Ajax richtig durchstartete: Seine Fähigkeit zur Selbstkritik. Und die Tatsache, dass er in einem sehr jungen Team plötzlich einer der ältesten war. «Dadurch musste ich Verantwortung übernehmen», sagte er.
Mental ist der 23-Jährige für sein Alter ausgesprochen reif. Die Enttäuschungen in Gladbach und Lautern hat er zur kritischen Selbstanalyse genutzt. «Ich gebe nie anderen die Schuld. Ich bin selbst verantwortlich dafür, was passiert», erklärte er: «Aber ich habe aus dieser Zeit sehr viel gelernt, was mir heute hilft.»
In Amsterdam weiß er nun, was er hat. Dem Vernehmen nach sind RB Leipzig und Borussia Dortmund an ihm interessiert, aber eine Rückkehr in die Bundesliga ist keineswegs sicher. «Wenn man sich so wohl fühlt, muss man nicht unbedingt weg», sagte er.
Bevor er irgendwann den nächsten Karriereschritt geht, wird er sicher auch seinen Förderer Hrubesch befragen. «Bei allen wichtigen Entscheidungen hole ich mir außer dem Rat der Familie und meines Beraters immer auch seinen», sagte Younes. Hrubesch riet ihm 2015 zum Wechsel nach Amsterdam. Und er riet Joachim Löw wohl auch zu Younes.
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