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Snooker-Rüpel O’Sullivan zwischen Genie und Wahnsinn

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Sheffield – Als er keine Lust mehr hatte, fing Ronnie O’Sullivan einfach an zu singen. In einer ohnehin skurrilen Interview-Situation, in der die englische Snooker-Legende alle Fragen des Journalisten lustlos und im Stakkato-Stil beantwortete, trällerte er plötzlich Wonderwall von Oasis.

«Maybe, there’s gonna be the one that saves me. And after all, you’re my wonderwall», sang O’Sullivan und schnipste rhythmisch mit seinen Fingern. Jene Mini-Sequenz von fünf Sekunden reicht, um seine höchst eigene Persönlichkeit inmitten der Gentlemen zum Ausdruck zu bringen.

Über O’Sullivan gehen die Meinungen in der Snooker-Szene weit auseinander. Kaum ein Profi in der Historie dieses Sports beherrschte die Mischung zwischen Lochspiel und Taktik so gut wie der 41-Jährige, dessen Spitzname «The Rocket» sich auf sein exorbitant hohes Spieltempo bezieht, mit dem er unter anderem den Weltrekord für das schnellste «Maximum Break» aufstellte: Die insgesamt 36 Bälle in exakt der korrekten Reihenfolge lochte O’Sullivan mal eben in 5:20 Minuten. «Ronnie zu beobachten, ist wie Gott bei der Arbeit zuschauen zu dürfen», sagte sein Rivale Alan McManus einst.

Die Karriere des Engländers ist gespickt von Skandalen und Affären, von einer schweren psychischen Erkrankung, die eben auch Teil des Sportlers O’Sullivan war. Das Sportliche zwischen Dominanz und monatelange Tiefphasen wird oft von dem überlagert, was sich O’Sullivan abseits des großen grünen Billard-Tisches leistet. So ist es auch bei der derzeit laufenden Snooker-Weltmeisterschaft im englischen Sheffield.

O’Sullivan spielt um seinen sechsten Titel, er hat sein Auftaktmatch gegen Gary Wilson klar für sich entschieden und trifft ab Donnerstag im Duell der Ex-Champions auf seinen Landsmann Shaun Murphy. Doch das Spiel mit den roten und bunten Bällen, die mal nacheinander abgeräumt und dann wieder hintereinander versteckt werden müssen, wird derzeit von einem monatelangen Disput O’Sullivans mit dem Weltverband überlagert.

Nach seinem Erstrundensieg attackierte er Snooker-Boss Barry Hearn erneut scharf. «Ich habe ihn angerufen und ihm gesagt, dass ich mit ihm und seinem Verein durch bin. Ich glaube nicht, dass ich viel falsch gemacht habe. Ich lasse mich nicht tyrannisieren», schimpfte O’Sullivan. Ausgangspunkt der Streitereien war ein Turnier im Januar, als «The Rocket» Offizielle verbal attackierte und dafür vom Weltverband einen Warnbrief mit angedrohten Konsequenzen bekam.

Hearn, der neben dem Snooker auch Chef des Darts-Weltverbandes ist, kündigte an, gegen die «Vorwürfe vorzugehen». Bei O’Sullivan ist von Einsicht keine Spur: Seine sture Linie, die in den vergangenen Monaten zu einsilbigen Interview-Antworten, gesungenen Oasis-Songs und vielen Fragezeichen führte, behält er bei. «Komplett falsch» nannte auch O’Sullivans nächster Gegner Murphy dessen Vorwürfe.

Ein Skandal ist eigentlich das letzte, was sie bei den feinen Herren in Zwirn und Fliege wollen. Snooker-Boss Hearn sieht aber auch einen echten Typen, den er in einem Gespräch mit dem englischen Blatt «Guardian» vor der WM am liebsten noch geklont hätte. «Die Jungs, die ihr Leben rücksichtslos leben, haben nicht den Erfolg. Ronnie O’Sullivan, ein Genie, ist die Ausnahme. Ich wünschte, ich hätte sechs mehr von seiner Sorte.» Nach dem Start in die Weltmeisterschaft reicht ihm zunächst erstmal wieder ein einziger Ronnie O’Sullivan.

Fotocredits: Steven Paston
(dpa)

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