Rio de Janeiro – Zweimal Gold im Minutentakt, dreimal Silber im Foto-Finish: Deutschlands Behindertensportler setzen bei den Paralympics in Rio de Janeiro zum Endspurt an.
Dominiert wurde der achte Wettkampftag von den Allroundern: Die Wintersportlerin Andrea Eskau und die ehemalige Schwimmerin Christiane Reppe gewannen am Donnerstag jeweils ihr Straßenrennen mit dem Handbike. Dazu holte die frühere Basketballerin Edina Müller Silber bei der paralympischen Kanu-Premiere. Zudem erkämpfte sich Tom Kierey ebenfalls den zweiten Platz auf der Kanustrecke. Leichtathlet David Behre vervollständigte mit Silber über 400 Meter seinen Medaillensatz bei diesen Spielen.
Weltmeisterin Christiane Reppe holte sich ihren ersten Paralympics-Sieg, nachdem sie bereits 2004 zweimal Bronze im Schwimmbecken erobert hatte. «Es war mein großer Traum, dieses Gold zu holen. Ich habe mich am Ende immer wieder umgedreht und gedacht: Kommt da wer? Kommt da wer? Kommt da wer?», sagte sie. Nach dem Ende ihrer Schwimmkarriere hatte die 29 Jahre alte Dresdnerin zunächst ein Jahr lang pausiert und dann neu mit dem Radsport begonnen. «Ich liebe das Handbike. Das ist viel besser als das Schwimmen, weil es da einfach mehr Action gibt», meinte sie.
Wenige Minuten später überquerte Andrea Eskau die Ziellinie ihres Rennens und feierte damit den dritten Paralympics-Sieg im Straßenrennen in Serie. «Dreimal Straßen-Gold hintereinander – darauf bin ich stolz, und das zeigt, wie lange ich schon auf diesem Niveau unterwegs bin», sagte die 45-jährige Magdeburgerin. «Das war sicherlich nicht das leichteste Gold. Die anderen könnten ja teilweise meine Töchter sein», meinte die Ausdauer-Athletin, die 2014 bei den Winter-Paralympics im Biathlon und Langlauf gewonnen hatte.
Nur Millimeter fehlten zu weiteren Goldmedaillen: Erst im Foto-Finish verpassten Edina Müller und Tom Kierey sowie David Behre weitere Siege. Die Hamburgerin Müller musste sich über 200 Meter ihrer Dauer-Rivalin Jeanette Chippington um 0,114 Sekunden geschlagen geben. Dem Dresdner Kierey fehlten gar nur 0,099 Sekunden auf den Ukrainer Sergej Jemeljanow. Und die Steigerung lieferte dann Behre im Olympiastadion: Bei seinem Europarekord von 46,23 Sekunden über 400 Meter war der Neuseeländer Liam Malone 0,03 Sekunden schneller als der Leverkusener.
«Wir haben zwei Top-Silbermedaillen errungen. Das sind zwei Kampf-Silber, die wie Goldmedaillen sind», sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), nach den Kanurennen auf der Strecke in der Lagune Rodrigo de Freitas. Die Kanuten trauerten den knapp verpassten Siegen nicht lange nach. «Wir können jetzt Silber feiern», meinte Kierey. Auch Edina Müller blickte über den Tag hinaus. «Wir haben hier Geschichte geschrieben.»
Behre hat unterdessen auf der blauen Tartanbahn des Olympiastadions seinen Medaillensatz komplettiert, nachdem der beidseitig Unterschenkel amputierte Sprinter bereits Gold mit der 4×100-Meter-Staffel und Bronze über 200 Meter gewonnen hatte. «Im ersten Moment war ich enttäuscht, weil es so super, super knapp war, aber die Zeit ist supergeil. So schnell laufen nicht viele Deutsche», sagte der 30-Jährige und erinnerte an London-Sieger Oscar Pistorius, der in Südafrika wegen Mordes an seiner Lebensgefährtin im Gefängnis sitzt: «Ich hätte gerne die Thronfolge von Pistorius angetreten, aber mit der Zeit ist auch Silber sehr viel wert.»
Die zwei Gold- und drei Silbermedaillen hat das deutsche Team in der Nationenwertung nach oben gebracht. Nach 368 von 528 Entscheidungen stand mit elfmal Gold, 16-mal Silber und achtmal Bronze Rang sechs zu Buche. Nummer eins war weiter China (75/58/39) vor Großbritannien (47/24/30) und der Ukraine (32/24/27).
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(dpa)