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«Werde noch brauchen»: Kerber vom Titel überwältigt

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New York – Im Restaurant «Beautique» in der Nähe des Central Parks und einer Rooftop-Bar mit Blick über New York feierte Angelique Kerber im kleinen Kreis ihren überwältigenden US-Open-Triumph. Bei Wein und Sekt stieß die neue Nummer eins im Damen-Tennis auf ihren zweiten Grand-Slam-Titel an.

«Die Anspannung der letzten Wochen ist ein bisschen abgefallen», sagte Kerber, als sie am Sonntag nach knapp drei Stunden Schlaf schon wieder über die Anlage in Flushing Meadows geschoben wurde. Fotos mit dem US-Open-Pokal vor dem Arthur-Ashe-Stadium, Bilder mit der Nummer-eins-Trophäe am berühmten Globus vor den Toren des Stadions und schon wieder TV-Interviews.

«Ich werde noch ein paar Tage brauchen, bis ich das alles realisiert habe und sacken lassen kann», sagte Kerber. Im schicken Sommerkleid saß sie im Spielergarten und beantwortete die letzten Fragen. Für Montagabend war der Rückflug gebucht, für Dienstag eine weitere Pressekonferenz in München angesetzt. Und dann soll endlich erst einmal Ruhe einkehren im Leben der ersten deutschen Nummer eins seit Steffi Graf vor 19 Jahren. «Ich versuche, mich zu Hause fallen zu lassen, viel zu schlafen und richtig gut zu essen», sagte Kerber, als sie die Highheels gegen bequeme flache Schuhe eingetauscht hatte und den Moment genoss, «einmal ohne Tasche und Schläger hier zu sein».

Am Abend zuvor war der schmucke Spielergarten schon einmal Schauplatz für die erste kleine Feierstunde im Team Kerber. Vier Stunden nach ihrem phänomenalen Finalerfolg gegen die Tschechin Karolina Pliskova gönnte sich Kerber am Samstagabend ein halbes Glas Champagner.

«Ich wollte immer Grand Slams holen, jetzt habe ich zwei in einem Jahr geholt. Das kann mir keiner mehr nehmen. Das ist auch eine Erleichterung: Ich weiß, ich gehöre da jetzt wirklich hin», sagte Kerber. Nach einem 1:3-Rückstand im dritten Satz hatte sie das Endspiel gedreht und Pliskova 6:3, 4:6, 6:4 bezwungen.

Nachdem sich Kerber zur ersten deutschen Nummer eins seit Graf gekrönt hatte, ließen die Glückwünsche nicht lange auf sich warten. «Klasse erarbeitet, gekämpft und Nervenstärke bewiesen!», schrieb Graf auf Facebook. Dem Deutschen Tennis Bund sagte sie: «Es ist wirklich ein Traum, wie gut Angie während des gesamten Turniers und jetzt im Finale in Flushing Meadows gespielt hat.»

Selbst der Bundespräsident gratulierte noch in der Nacht. «Spiel, Satz und Sieg: Mit Ihnen freuen sich heute viele Menschen in Deutschland über Ihren großen Erfolg», übermittelte Joachim Gauck.

Kerber wirkte stolz und erleichtert, als sie sich gegen halb elf am Abend endlich bei ihrem Team ein klein wenig entspannen und zur Ruhe kommen konnte. Ein bisschen Rotwein stand herum, in Alufolie eingepackte belegte Brote lagen auf dem Tisch. Aber Kerber hatte keine Zeit, weil noch ein Sponsorentermin anstand und sie «unbedingt etwas Richtiges essen wollte», bevor sie bei einem Bar-Besuch in Downtown Manhattan den Triumph angemessen feiern wollte.

Ihr wundersames Jahr 2016 mit dem Australian-Open-Triumph, dem Endspiel in Wimbledon und der Silbermedaille in Rio krönte Angelique Kerber am 10. September mit ihrem ersten Titel bei den US Open. «Dieses Grand-Slam-Turnier hatte für mich immer eine andere Bedeutung als alle anderen Turniere», sagte die 28-Jährige.

Mit ihrem damals sensationellen Halbfinal-Einzug 2011 begann ihre Wandlung über eine konstante Top-Ten-Spielerin mit dem Hang zur Nervenschwäche und Niederlagen in engen Situationen hin zur körperlich fittesten und mental abgezocktesten Spielerin auf der Tour. Denn Kerber kämpfte immer auch gegen Zweifler und Skeptiker.

Eine richtig Große werde nie aus ihr, sagten die einen. Einen zweiten Grand Slam schaffe sie nicht, sagten die anderen. Erst als Kerber auch in Wimbledon und bei den Olympischen Spielen ins Endspiel stürmte, verstummten die Kritiker. Doch als sie eine Woche nach Rio in Cincinnati im Endspiel gegen Pliskova die erste Chance auf die Übernahme der Weltranglistenspitze verspielte, wurde wieder gemäkelt.

Und jetzt diese Dramaturgie: Weil Serena Williams ihr Halbfinale verliert, steht Kerber schon von ihrem Semifinal-Duell als neue Nummer eins fest. Wäre sie früher vielleicht verkrampft und dem Druck nicht gewachsen gewesen, schlägt sie heute die frühere Weltranglisten-Erste Caroline Wozniacki souverän in zwei Sätzen.

Als neue Nummer eins geht sie in das Finale gegen die zuletzt überragend aufspielende Pliskova – und will auf keinen Fall verlieren. «Der Sieg war wichtig für mich, aber ich habe mich überhaupt nicht stressen lassen», sagte Kerber. Die Haare fielen ihr offen über die Schulter, die Halskette von Tiffany’s glitzerte im Scheinwerferlicht, als Kerber in der Pressekonferenz immer wieder lächelnd die vor ihr postierte silberne Henkeltrophäe betrachtete.

«Die Nummer eins konnte mir niemand mehr nehmen. Aber für mich war es wichtig, nach dem Finale in Wimbledon, das ich verloren habe, jetzt die Partie für mich zu entscheiden. Daher habe ich am Ende alles gegeben und alle meine Kräfte rausgeholt», sagte Kerber und ergänzte stolz: «All meine Träume sind in diesem Jahr wahr geworden.»

Fotocredits: Cj Gunther,Justin Lane,John G. Mabanglo,John G. Mabanglo,John G. Mabanglo,Jason Szenes,Justin Lane,Cj Gunther,Jason Szenes,Andrew Gombert,Justin Lane,Justin Lane
(dpa)

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