Rio de Janeiro – Trotz des voraussichtlich knapp verfehlten Medaillenziels der Olympia-Mannschaft in Rio ist die Spitze des deutschen Sports optimistisch für die Zukunft.
«Wir sind in großer Gelassenheit und Zielstrebigkeit unterwegs. Ich verspüre keine Angst, sondern Vorfreude», sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann am vorletzten Tag der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Dennoch könne man sich jetzt nicht zurücklehnen. «Es gibt Handlungsbedarf», warnte Hörmann.
44 Medaillen hatte der DOSB vor den Spielen als Ziel ausgegeben. Nach dem starken Schlussspurt der Rennkanuten fehlte dazu gar nicht mehr viel, zumal noch das Fußball-Finale der Männer, die letzten Leichtathletik-Wettbewerbe und das Bronze-Spiel der Handballer anstanden. Vor allem die hohe Zahl an Goldmedaillen stimmt den DOSB zuversichtlich. «50 Prozent mehr Gold als in London ist nicht so schlecht. Mit dem «Schicksal» würden manche gerne tauschen», sagte Hörmann. Er gratulierte dem Chef de Mission Michael Vesper, der – im Nachhinein zurecht – 16 Mal Gold prognostiziert hatte, «als viele inklusive mir nicht mehr dran geglaubt haben».
«Wir sollten das Ergebnis auch realistisch einschätzen», forderte der Sportliche Leiter Dirk Schimmelpfennig. «Wir werden mehr Olympiasieger haben als bei letzten Spielen in London. Wir werden auch die Top Five erreichen.» Hörmann betonte, der Medaillenspiegel sei nicht das Maß aller Dinge. «Es werden 150 Medaillengewinner nach Deutschland zurückkehren, jeder Dritte im Team hat eine Medaille.»
Vor allem die Mannschaftssportarten hätten für die «Spiele der Spiele» gesorgt und eine positive Bilanz vorzuweisen, sagte Schimmelpfennig. Dass das Medaillenziel verfehlt worden sei, hänge vor allem mit den Verbänden zusammen, die ihr Leistungsniveau nicht hätten abrufen können. Dazu zählten die Radsportler, die Judokas und die Leichtathleten, die alle deutlich weniger Medaillen geholt hätten als vorab angepeilt. «Wenn man diese Differenz addiert, kann man ganz leicht die Lücke erklären», sagte Schimmelpfennig.
Auch andere Sportarten wie die Becken- und Freiwasserschwimmer oder Fechter hatten ohne Medaille enttäuscht. «Wir haben zweifelsohne einige Sorgenkinder, wo es unter Umständen tiefgreifende Reformen erfordert», sagte Hörmann.
Die bereits auf den Weg gebrachte Leistungssportreform solle bis Anfang 2018 weitgehend umgesetzt werden, sagte Schimmelpfennig. Die Spiele in Tokio 2020 seien nur eine Zwischenstation, Ziel sei, dass die Reform ab 2024 greife. «Wir müssen versuchen, uns in Zukunft breiter aufzustellen, um mehr Möglichkeiten zu Medaillengewinnen zu haben.» Es gebe keine Alternative zur dualen Karriere.
Bis zum 30. September soll laut Schimmelpfennig die Analyse der einzelnen Verbände vorliegen. Zudem gibt es ein Olympia-Zeugnis vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT). Erste Zielvereinbarungsgespräche werde es Anfang 2017 geben. Die künftige Förderung und Strukturen werden spätestens Anfang Oktober zwischen DOSB, Verbänden und Bundesinnenministerium heftig diskutiert.
Sowohl Hörmann als auch Schimmelpfennig betonten, dass deutsche Athleten in einigen Sportarten wie Gewichtheben nur Chancen hätten, wenn der internationale Anti-Doping-Kampf konsequent fortgeführt werde. «Was da geliefert und geleistet oder nicht geleistet wurde, ist kein haltbarer Zustand für die Zukunft, das ist völlig klar», sagte Hörmann mit Blick auf die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Sie habe «kein Finanzierungsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.»
Sein Bild der WADA habe sich durch Gespräche während der Spiele «dramatisch verschlechtert». «Das stimmt nur noch nachdenklich, mich wundert an der ein oder anderen Stelle nichts mehr.» Russland sei einer der großen Verlierer, «und das sicher zurecht». Russische Leichtathleten und Gewichtheber waren vor dem Hintergrund systematischen Staatsdopings von den Spielen ausgeschlossen.
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(dpa)