Rio de Janeiro – Ob bei der Eröffnungsfeier oder beim Wettkampf in der Judo-Halle: Wohl nur die brasilianischen Athleten werden so laut gefeiert wie die zehn Sportler, die bei Olympia in Rio für das Flüchtlings-Team und unter der Flagge des IOC antreten.
Dass sie sportlich kaum mithalten können, spielt dabei keine Rolle. Wichtiger ist die Botschaft: «Ich möchte allen sagen, dass Flüchtling kein Schimpfwort ist. Wir sind Menschen, wir können viele gute Dinge tun, um zu zeigen, wer wir sind», sagte die in Berlin lebende 18 Jahre alte Schwimmerin Yusra Mardini aus Syrien.
Paulo Amotun (aus Südsudan/lebt in Kenia): Über die 1500 Meter kam der 24-Jährige in seinem Vorlauf auf Rang elf. Für die nächste Runde reichte das nicht. Glücklich über sein Olympia-Debüt war Amotun dennoch: «Ich war einer dieser Flüchtlinge aus dem Camp und nun bin ich hier und habe etwas Spezielles erreicht.»
Rami Anis (Syrien/Belgien): Der Schwimmer aus Syrien belegte im Vorlauf über die 100 Meter Freistil Rang sechs, im Schmetterling wurde er über die gleiche Distanz Vorlauf-Achter. Für den 25-Jährigen war vor allem die Eröffnungsfeier ein beeindruckendes Erlebnis: «Das ist schwer zu beschreiben. Als wir eingelaufen sind, wow, da waren die Leute richtig laut», erzählte er.
Yiech Pur Biel (Südsudan/Kenia): Rang acht in seinem Vorlauf über 800 Meter reichte auch bei Biel nicht für die nächste Runde. Doch darum ging es dem 21 Jahre alten Leichtathleten auch nicht. Schon vor seinem ersten Start sagte er: «Selbst wenn ich nicht Gold, Silber oder Bronze gewinne, zeige ich der Welt: Als Flüchtling kannst du etwas erreichen.»
James Nyang Chiengjiek (Südsudan/Kenia): Mit einer Zeit von 52:89 Sekunden über 400 Meter kam Leichtathlet Chiengjik in seinem Vorlauf auf den achten und damit letzten Platz. Die Chance, bei Olympia zu starten, begreift der 24-Jährige als Auftrag: «Mir hat jemand geholfen, jetzt will ich jemandem helfen.»
Yonas Kinde (Äthiopien/Luxemburg): Kinde steckt noch in der Vorbereitung auf den Marathon am Sonntag. Als Ziel hat er ganz selbstbewusst eine Medaille ausgegeben. «Normalerweise trainiere ich einmal am Tag. Seit ich weiß, dass ich zu Olympia darf, habe ich zweimal täglich trainiert.»
Popole Misenga (Kongo/Brasilien): Gewann in der Gewichtsklasse bis 90 Kilogramm seinen ersten Kampf gegen den Inder Avtar Singh und kam ins Achtelfinale. Dort war für den 24 Jahre alten Judoka gegen Weltmeister Gwak Gong-han aus Südkorea Schluss. «Ich bin sehr glücklich, weil nun jeder das Flüchtlingsteam kennt und seine Geschichte versteht.»
Yolande Bukasa (Kongo/Brasilien): Traf in der Judo-Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm gleich auf Linda Bolder aus Israel, verlor nach gut einer Minute durch Ippon. «Obwohl ich verloren habe, wird mein Name immer mit den Olympischen Spielen 2016 verbunden sein. Das ist ein sehr glücklicher Tag in meinem Leben, den ich niemals vergessen werde.»
Anjelina Nadai Lohalith (Südsudan/Kenia): Über 1500 Meter kam Lohalith mit großem Rückstand in ihrem Heat auf den 14. und letzten Platz. Die 23-Jährige träumt davon, durch den Sport etwas Geld verdienen zu können und so ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen.
Rose Nathike Lokonyen (Südsudan/Kenia): Im selben 800-Meter-Vorlauf wie Caster Semanya reichte es für die 21-Jährige zu Rang sieben. Sportlich waren die Olympischen Spiele also nach etwas mehr als zwei Minuten schon wieder vorbei. Die Erinnerungen aber wird Lokonyen ihr ganzes Leben behalten.
Yusra Mardini (Syrien/Berlin): Mardini gewann ihren Vorlauf über 100 Meter Schmetterling gegen zwei andere Schwimm-Underdogs in 1:09,21 Minuten, blieb aber über ihrer persönlichen Bestzeit – das reichte am Ende zu Platz 41 unter 45 Schwimmerinnen. Im Freistil kam sie auf Rang sieben im Vorlauf. «Syrien und Deutschland sind meine Heimat. Und jetzt auch das IOC. Ich habe drei Zuhause.»
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(dpa)